Sommermitte

Die Kräuterweihe zu Maria-Himmelfahrt am 15. August und der Frauendreißiger vom 15. August bis zum 12./15. September.

Sommermitte
Ulrike Gschwendtner mit einem Bund voller Heilkräuter für das gemeinsame Kräuterbuschen-Binden.
Ulrike Gschwendtner

Artikel aus der Reihe Kräuter-Netzwerkeln von

August 15, 2021

Die Sommermitte wurde von unseren Vorkulturen am zweiten Vollmond nach der Sommersonnwende gefeiert. Die Kelten feierten Lugnasad, die Germanen Lammas. In Zuge der Christianisierung bekamen die alten Mondfeste im Jahreskreis ein festes Datum, die Sommermitte den 1.  August.

Wir schauen zurück zu den Kelten. Nach Wolf-Dieter Storl waren sie über lange Zeit das führende Kulturvolk in Europa. Ihr Kernland reichte zur Hallstattzeit (vor knapp 3000 Jahren) von Ungarn und Böhmen über den gesamten Alpenraum bis nach Ostfrankreich. Die Kelten lebten im Einklang mit der natürlichen Umwelt, dem Wald und erlebten die Natur voller magischer Kräfte. Für sie waren Pflanzen, Bäume, Steine, Quellen und der Wind beseelt.

Das Sammeln von Kräutern war ein Ritual und wurde mit einem besonderen Spirit durchgeführt. Man sammelte an magischen Orten, mit Gebeten oder Beschwörungen und einem Dankesopfer an die Pflanze oder den Pflanzengeist. Vor Sonnenaufgang war die richtige Zeit, wenn der Mond günstig stand. Das Sammeln erfolgte barfuß oder nackt und unbeschrieen; das heißt schweigend. Als Schneidewerkzeug benutzte man Feuersteine, denn die Kelten glaubten, Eisen nimmt den Pflanzen die Kraft. Die Pflanzen wurden auch gesegnet. Mit Wasser aus heiligen Quellen oder man weihte sie den Himmelsrichtungen und Naturgeistern, in dem die Pflanzen am Sammelort hoch in die Luft gehalten wurden. Diese besonderen Rituale sind schon lange vergangen aber nicht überall vergessen.

Heute werden in katholischen Regionen am 15. August die Kräuter geweiht. Diese Weihe hat schon eine lange Tradition und ist bereits im Sachsenspiegel aus dem 13. Jahrhundert erwähnt, soll aber bis ins 9. Jahrhundert zurückgehen. Die Zusammenstellung eines Kräuterbusches aus alten Heil- und Zauberpflanzen ist auch heute noch mit viel Magie verbunden und hat einen festen Platz im gelebten Brauchtum. Je nach Region und Verfügbarkeit werden folgende Pflanzen verwendet: Alant, Baldrian, Beifuß, Blutweiderich, Dost, Dill, Eisenkraut, Eberraute, Frauenmantel, Fenchel, Haselnusszweige, Johanniskraut, Kamille, Kornblume, Königskerze, Labkraut, Leinkraut, Liebstöckl, Minze, Melisse, gewöhnlicher Natternkopf, Odermennig, Quendel, Rainfarn, Salbei, Schafgarbe, Weidenröschen, Wegwarte, Tausendgüldenkraut, Wermut, Weinraute, Ysop.

Viele verschiedene Kräuter sind gesammelt.
Ulrike GschwendtnerIm Kräuterbuches kommen heilkräftige Kräuter zusammen.

Die Anzahl der Kräuter im Kräuterbuschen variiert, ist aber immer mit einer magischen Zahl verbunden.

Die Sieben steht für die Wochen- oder Schöpfungstage. Die Neun, als potenzierte Drei, für die heilige Dreifaltigkeit. Die Zwölf für die Zahl der Apostel oder die zwölf Stämme Israels und die Vierzehn für die nothelfenden Heiligen. Die Anordnung der Kräuter im Kräuterbuschen ist dem persönlichen Geschmack überlassen. Nur ein Platz ist fest. Die Königskerze steht in der Mitte.

Gelbe, pinke und weiße Blüten in einem Korb.
Ulrike GschwendtnerYsop, Schafgarbe, Goldrute, Wermut - die Sommermitte verwöhnt uns mit vielen Blüten.

Beifuß

Ein Wortzauber aus dem angelsächsischen Neunkräutersegen (9. oder 10 Jh. n. Chr.)

„Erinnere du dich, Beifuß, was du verkündetest,

Was du anordnetest in feierlicher Kundgebung,

Una heißt du, das älteste der Kräuter,

Du hast die Macht gegen 3 und gegen 30,

Du hast die Macht gegen Gift und gegen Ansteckung,

Du hast die Macht gegen das Übel, das über das Land dahinfährt.“

 

Das Johanniskraut ist schon seit dem Mittelalter als Schutzpflanze bekannt. Der Teufel selbst soll die Blätter des Krautes durchlöchert haben, weil er sich so über dessen Heilkraft geärgert habe.

 

Die Schafgarbe vertreibt alle bösen Geister. Kränze aus Schafgarbe wurden früher zum Schutz vor der Pest in den Häusern aufgehängt. Wer die Schafgarbe in der Hand trägt, bekommt Mut und verliert seine Ängste.

 

Der Baldrian war im Mittelalter als Allheilmittel bekannt und gehörte zu den Theriak-Kräutern.

Dieses Geheimnis haben vor langer Zeit die Waldfeen den Menschen verraten:

«Eßt Bimellen und Baldrian, so geht euch die Pest nicht an»

 

Die Arnika (steht heute unter Naturschutz) hat viele Namen die sich auf ihre Heilwirkung beziehen. Andere Namen wie Donnerwurz, Bilmeskraut, Kraftwurz oder Wolfbanner deuten mehr auf ihre magische Kraft.

 

Die Königskerze war für unsere Vorfahren Allheilmittel und Zauberwesen, das alle Unholde fernhalten konnte. Dazu wurde sie in als Amulett am Körper getragen. Es galt als Sakrileg den Stängel der Königskerze ohne triftigen Grund abzubrechen.

Schon Dioskurides erwähnt die Minze als erwärmende, adstringierende Pflanze, auch bei Hildegard von Bingen und Sebastian Kneipp findet sie Erwähnung. Nach einer griechischen Sage war die Nymphe Minthe die Geliebte des Hades. Seine Gattin Persephone zerriss die Nymphe aus Eifersucht in tausend Stücke. Dort wo die Teilchen auf Erde trafen, wuchs bald eine duftende Pflanze.

Als rotblühende Duftpflanze wehrt Dost Teufel, Hexen und böse Geister ab.

Nach einer Sage aus Sachsen wollte eine Hexe ihr Patenkind die Hexenkunst lehren. Dessen Mutter erfuhr davon und steckte der Tochter vor dem Besuch bei der Patin Dost in die Tasche. Als der Teufel zur Sitzung erschien, schnupperte er und verschwand mit den Worten: „ Roter Dost! Hätt ich dich gewosst, hätt ich dich vernommen, wär ich nicht gekommen.“

Der Wurzel des Eisenkrauts traute man Wunderbares zu: Es verleiht große Liebeskraft, macht als Amulett bei allen Menschen beliebt, die Kinder lernfreudig, schenkt zauberhafte und zukunftsweisende Träume, zeigt in der Georgs-Nacht (23. April) verborgene Schätze, schützt vor Pest, anderen Krankheiten, Unwetter und bösen Geistern.

Auch heute kann man die Kraft der Kräuterbuschen spüren. Probiert es aus! Einige Kräuterbuschen selbst gebunden, christlich geweiht oder nach keltischem Ritual, verteilt man die Buschen zum Trocknen über die Wohnung und das Haus. Alles ist erfüllt vom Duft der Pflanzen, der bis zur vollständigen Trocknung anhält. Schon der Anblick im Winter tut der Seele gut und wie schön, dass das Räuchergut schon im Haus und griffbereit ist.
Ulrike Gschwendtner

An Mariä Himmelfahrt beginnt in der katholischen Kirche der „Frauendreißiger“ – ein Zeitraum in dem viele Marienprozessionen abgehalten werden. Auch der Gedenktag Mariä Geburt am 8. September ist im Frauendreißiger, der mit Mariä Namen am 12. September abgeschlossen wird. Dieser Zeitraum gilt seit jeher als besonders günstige und segensreiche Zeit zum Kräutersammeln. Früher dachte man, dass die Kräuter zu diesem Zeitpunkt die dreifache Wirkung besaßen. Besonders den Frauenheilkräutern schrieb man, im Frauendreißiger gesammelt, eine deutlich verstärkte Wirkung zu.

Quellen:

Susanne Fischer-Rizzi, Medizin der Erde AT Verlag München 2011

Gertrud Scherf, Pflanzengeheimnisse aus alter Zeit, BLV Buchverlag München 2012

Rudi Beiser, Kraft und Magie der Heilpflanzen, Ulmer Verlag Stuttgart 2013

Marlies Bader, Räuchern mit heimischen Kräutern, Goldmann Verlag München 2008

Margret Madejski / Olaf Rippe, Heilmittel der Sonne, AT Verlag München 2013

Scherf / Caspari, Wildpflanzen neu entdecken, BLV Buchverlag München 2018

Scherf Gertrud, Zauberpflanzen Hexenkräuter, BLV Buchverlag München 2014

Wolf-Dieter Storl, Pflanzen der Kelten, AT Verlag Aarau Schweiz, 2014

Sämtliche Hinweise, Rezepturen, Anleitungen und Ideen sind persönliche Erfahrungen und persönliches Wissen.
Die vorgestellten Methoden und Hinweise ersetzen NICHT den Besuch beim Arzt oder Psychologen und stellen auch kein Heilversprechen dar.

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  • Kräuter-Netzwerkeln

    Regelmäßig treffen wir Kräuterleut uns um ein wenig zu netzwerkeln. Dabei lassen wir uns von Pflanzen und schönen Orten einladen und führen uns gegenseitig durch die wunderbaren Plätze unserer Region.

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  • Cornelia Müller

    Netzwerkkoordinatorin

    Cornelia Müller ist die Netzwerkkoordinatorin und bei ihr laufen die Fäden zusammen. Sie liebt die Vielfalt der Pflanzen und die der Menschen und ihr ist es ein Anliegen die Region und diesen besonderen Schatz erlebbar und erfahrbar zu machen.

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